Bewusstsein, Zeit und Symmetrien

Es war der erste Hype, an den ich mich erinnere und der mein Berufsleben an seinem Anfang geprägt hat. Er entstand mit dem Aufkommen der Personal Computer in den achtziger Jahren rund um die künftigen Möglichkeiten immer höherer Rechnerleistungen. Auch diese Blase wurde genährt durch Erwartungen von Kaufleuten und Investoren, die keinen wirklichen Bezug zu dem Thema hatten, in das sie investierten. Basierend auf Vermutungen und Fehleinschätzungen schaukelten sie sich gegenseitig in ihren Träumen um exorbitante Gewinne hinauf in schwindelnde Höhen. Jeder wollte, jeder musste dabei sein. Wer sich als Manager oder Investor dem Sog widersetzte, lief Gefahr, als rückständiger Spinner betrachtet zu werden. Im Vergleich zu den Blasen, deren Platzen seither immer einmal wieder Wirtschaft und Finanzmärkte erschüttern, war dies allenfalls eine unauffällige Ausbeulung in den Erwartungen vieler Menschen weltweit. Zunächst ein Thema für Wissenschaftler, Entwickler, Programmierer, flossen vor allem in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts erhebliche Investitionen der Wirtschaft in dieses Segment. Die "Artificial Intelligence" – "Künstliche Intelligenz" (KI)in der deutschen Übersetzung – erhob den Anspruch, menschliches, intelligentes Entscheidungsverhalten auf Automaten zu übertragen.

Als die Blase Anfang der neunziger Jahre platzte – mit Firmenpleiten und abgeschriebenen Investitionen in erheblichem Umfang – war klar, dass dieses selbst gesteckte Ziel in weiter Ferne lag. Offenbar lag die wahre Natur echter intelligenter Informationsverarbeitung noch im Dunkel. Was nach dem Hype blieb war ein Fundament aus Methoden und IT-Architekturen, das bis heute die Entwicklung moderner Software prägt: Objektorientierung, Regelbasierte Systeme, Integration verteilter Komponenten über Ereignisse und Nachrichten sind nur einige Elemente daraus, die immer noch Kennzeichen guten Programmdesigns sind.

Bis heute – über zwanzig Jahre danach – wurden keine fundamentalen Fortschritte erzielt im grundsätzlichen Verständnis natürlich intelligenten Handelns. Zwar sind die Rechner um Zehnerpotenzen schneller als damals und ermöglichen den Betrieb immer komplexerer KI-Modelle. Die Robotik hat mit der schnell voranschreitenden Miniaturisierung immense Fortschritte gemacht. Die Linguistik ist Welten vom damaligen Zustand entfernt. Heute ist man in der Lage, die Komplexität eines Katzenhirns in einem IT-System zu simulieren, das menschliche Gehirn ist in Reichweite. Der ursprüngliche Anspruch aber, damit echte Intelligenz oder eigenständiges Bewusstsein zu schaffen, wurde leise fallen gelassen und ist heute eher ein Unthema, mit dem ernsthafte Wissenschaftler sich nicht befassen sollten. Bewusstsein als zentrales Thema zu diskutieren ist heute nur in Philosophie, Psychologie oder Theologie möglich.

Der Versuch einer fundamentalen Auseinandersetzung mit dem Phänomen Intelligenz wurde auch von den Naturwissenschaften gemacht mit ähnlich frustrierenden Ergebnissen wie in der Informatik. Wie entsteht Intelligenz? Ist dies ein Ergebnis bloßer Komplexität oder fehlt noch Grundsätzliches im Modell? Gibt es im naturwissenschaftlichen Sinne überhaupt so etwas wie Bewusstsein? Weltbekannte Wissenschaftler wie Werner Heisenberg, Wolfgang Pauli, Niels Bohr, Erwin Schrödinger und Albert Einstein pflegten noch bis in die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts hinein einen regen Austausch in solch fundamentalen Fragen unserer Existenz.

Um im Verständnis intelligenten Handelns substantiell voranzukommen reicht es offenbar nicht, vorhandene Modelle weiterzuführen. In allen hierbei relevanten Wissenschaften sind Vorstellungen und Verfahren zu hinterfragen – und dies in sehr grundsätzlicher Weise.

Ich nehme sie mit auf eine Reise durch verschiedene Disziplinen menschlichen Wissens, stelle offene Fragen heraus, weise auf Widersprüche hin, und füge die Puzzle-Steine aus vorliegendem Wissen in ein neues, erstaunliches Bild von Intelligenz, Bewusstsein und der Realität um uns herum.

Leider lässt es sich nicht vermeiden, dass der Weg dorthin an einigen Stellen steinig und steil wird und dem Leser einiges abverlangt. Überall dort, wo die Zumutbarkeitsgrenze überschritten zu werden droht, weise ich sie auf Abkürzungen hin, die sie nehmen können, ohne zu viel an Verständnis dadurch einzubüßen. In jedem Fall sollten die Dialoge zwischen S. und W. allgemein verständlich sein, die in den meisten Kapiteln auf anschauliche Weise an die jeweilige Fragestellung heranführen. Das Thema insgesamt ist sehr komplex und Vereinfachungen stoßen manchmal an Grenzen, jenseits derer die dort vermittelten Bilder irreführend und letztendlich sogar falsch wären.

Deshalb bitte ich sie schon jetzt um Nachsicht für alle Zumutungen, mit denen ich sie möglicherweise auf dem Weg konfrontiere.

 

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